Vom Drama und unserem Hollywood-Hirn

Ist Euch schon einmal aufgefallen, dass die besten und faszinierendsten Geschichten über Menschen, die wir so lesen, hören und sehen, immer auf Tragödien beruhen?

Was macht das persönliche Drama so populär, frage ich mich. Was haben diese Phönix-aus-der-Asche-Nummern nur für eine magische Anziehungskraft auf uns?

Nun, das dürfte im Kern schnell erklärt sein. Die Menschheit fährt auf Heldengeschichten ab und jede gute Geschichte ist eben auch von einem Drama-Faktor begleitet.

Es ist dieses Herausgerissenwerden aus der Komfortzone des Protagonisten. Es sind Herausforderungen, die unlösbar scheinen und dem Helden (der selten einer werden wollte) einfach alles abverlangen. Es ist die Reise mit all den Hürden und letztlich sind da auch die Weggefährten, die den Hauptakteur unterstützen, so dass am Schluss alles gut wird. Die Schlüsselfigur zieht dann sich eigenhändig am Schopf aus dem Sumpf, erkennt seine wahre Natur, seine Fähigkeiten und wird zu einem leuchtenden Stern  am Firmament des (Alltags)Himmels.

Hört sich nach Hollywood an? Ist es ja auch. Keine andere Maschinerie hat es je vermocht, uns so zu faszinieren, wie der Film. Dort werden fiktive Heldenstories genau wie auf Tatsachen basierende Geschichten massiv in Szene gesetzt und überzeichnet, damit wir gefesselt und gebannt unsere Identität für zwei Stunden aufgeben und mit allen Sinnen in die Rolle der Leitfigur hineinschlüpfen und völlig darin aufgehen. Das übrigens aktiviert im Körper dann eine Art Memoryfunktion, die nachhaltig unseren Geist und unser Denken beeinflussen kann, wenn wir affin sind und zum Serien- oder Filmjunkie werden.

Wir glauben und wollen also auch bei unseren Alltagshelden diesen Dramafaktor, weil wir der Ansicht sind, dann die einzig wahre Authentizität zu erleben.

Ohne Niederlage, Waterloo und Rückschläge kein echter Erfolg! Und je mehr Spektakel in der Story, desto wahrer ist es. So lesen wir gerne Artikel, hören Podcasts und schauen unsere Dokus....mit unserem Hollywood-Hirn.

Ich habe zudem das Gefühl, dass sich die Stories von Selbstfindung,  Aufblühen und Erkenntnis immer mehr übertrumpfen müssen oder ganz andersartig sein müssen, um überhaupt gehört zu werden. Längst geht es nicht mehr um das Teilen von Erfahrungen zum Nutzen der Allgemeinheit sondern immer mehr um Selfmarketing auf Schicksalsschlag-Basis.

 

Aber was ist mit den Normalos, die einfach nur zufrieden und erfolgreich sind? Sind all diejenigen nicht hörens- und sehenswert, wenn sie kein persönliches Armageddon vorzuweisen haben? Können diese Menschen ihre Erfolgsstory in die Tonne hauen, wenn sie nicht darauf herumreiten, wie furchtbar alles war, wie inkompetent sie im alten Job waren, wie krank sie wurden und wie viel Selbsthass sie entwickelt haben?

 

Ich war einige Zeit von Menschen umgeben, die sich stark darüber definiert haben, mit welchen Schiffbrüchen in Aktion und Geisteshaltung sie konfrontiert waren. Und ich habe mich sehr lange gefragt, was mit mir nicht stimmt, dass ich all diese Dramen in dieser Ausprägung nicht vorweisen kann. Ich hielt mich zeitweise für die uninteressanteste Person, die die Welt je gesehen hat.

Fast, ja fast wäre damals ein Drama aus dem Nichtvorhandensein von Drama geworden.

Ein berufliches Scheitern konnte ich irgendwie immer verhindern, wie fade! Meine Partnerschaft empfinde ich als unspektakulär stabil - gerade auch wegen guter und schlechter Zeiten. Meine Gesundheit ist mit Ausnahme von Zipperlein langweilig gut und meine Familie ist nicht krasser, verrückter, bösartiger und liebevoller als andere, denke ich jedenfalls. Dass ich meinen jetzigen Job liebe, traue ich mich fast nicht zu sagen. OK, ich hatte zu wenig Selbstbewusstsein und habe lange versucht, wie andere zu sein, weil ich nicht wusste, wie es ist, ICH zu sein. Aber das als Heldinnen-Desaster zu vermarkten, um dann meine Stärke in Szene zu setzen? Ein faules Ei, finde ich. 

All die Drama-Queens and -Kings ziehen - sorry für die offenen Worte - aus ihrem Elend doch mindestens den Gewinn, dass sie Anteilnahme und Aufmerksamkeit generieren, und manchmal sogar, dass jemand ihre Bücher kauft. (Ja, das war nicht nett, ich weiß.)

 

Der Clou war seinerzeit, meinen Blick auf etwas anderes zu richten. Nämlich auf all diejenigen, die sich in Zufriedenheit suhlen und in ihrer Mitte sind, weil sie es im Grunde immer waren. Immer? Nein. Auch die haben ihre miesen Phasen, in denen sie einfach mal schlecht gelaunt, gestresst, überfordert und energielos sind. Der Unterschied ist, dass sie nicht so einen Heiopei draus machen und nie auf die Idee kämen, irgendeinen Profit aus ihren Monkey Minds zu schlagen. Die Energie verwenden diese Menschen lieber darauf, wieder gut für sich zu sorgen und wieder in ihre alte Kraft zu kommen. Das sind Ressourcen-Helden, die die Welt doch wirklich brauchen kann.

Und diese großartigen Geschenke in menschlicher Form haben, wie ich finde, drei Dinge herausragend erkannt:

 

1. "Tragödie ist grade aus, ich nehme statt dessen eine Portion Selbstwirksamkeit!"

2. "Ich nehme mich selbst nicht so wichtig. Dann passt mein Ego auch immer durch die Türen, die längst für mich offen stehen!"

3. "Ich bin besonders und einzigartig, auch ohne Hollywood-Drama! Alles gut!"

 

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